Das strukturalistische Prinzip der »Unity in Difference« (1999)
Alle Seitenverweise beziehen sich auf den 1999 im Vice Versa Verlag, Berlin, erschienenen Katalog, der hier auch als PDF-Datei erhältlich ist.
Zu Beginn der 90er Jahre hat sich durch meinen Aufenthalt in New York von November 1991 bis April 1994 meine künstlerische Haltung des parallelen Arbeitens entwickelt. Der konzeptuelle Überbau der »Unity in difference/Einheit in der Differenz« ermöglicht mir, verschiedene Interessen und Talente zum Ausdruck zu bringen. Neben den klassischen Feldern, in denen ich arbeite, wie Zeichnung, Malerei, Skulptur, Objekt, Installation und Fotografie, gibt es die Einteilung in Gruppen, die sich in der künstlerischen Herangehensweise unterscheiden (siehe Schema).
Den alten Kampf zwischen der Ratio und der Emotio, zwischen Spontaneität und planender Kontinuität habe ich für mich im parallelen Arbeiten durch die Systematisierung in verschiedenen Werkgruppen gelöst. Es ist der Versuch, das Chaos zu verhindern, das zweifelsohne einbrechen würde.
Mein seit Jahren bevorzugtes Arbeitsmaterial, das Bienenwachs, bietet die verschiedensten Bearbeitungsmöglichkeiten, da es durch seine drei sehr nahe beieinander liegenden Aggregatzustände vielfältig verwendbar ist. Das gebleichte Bienenwachs ist sehr staubempfindlich. Es bedarf eines Schutzsystems, das mir gleichzeitig die Möglichkeit gibt, die verschiedenen Werkgruppen farblich zu markieren. Es entsteht somit ein Gefüge aus innen und außen, durch die Farben Rot, Blau und Schwarz (und andere) voneinander unterschieden. Die farblichen Schutz- und Ordnungskörper verschmelzen mit dem eigentlichen Werk zu einem Ganzen.
Die »Blaue Gruppe« stellt den rein konzeptuellen, minimalen und abstrakten Charakter meiner Arbeiten dar. Das Konzept des Beruhigens, des Verweigerns, Schützen und Konservierens ist als eine Hinterfragung der lauten und aggressiven Konsum-, Werbe- und Kommunikationswelt zu verstehen. Durch das individuelle Bearbeiten ihrer Produkte mit gebleichtem Bienenwachs, das Erarbeiten einer semitransparenten, malerischen Trennschicht wird das ‚laute‘ Objekt beruhigt, der Alltäglichkeit entrückt und verklärt in eine neue Wirklichkeit versetzt, die Individualität und Kontemplation meint und aus dem alltäglichem Ding eine Skulptur oder eine Malerei werden läßt. Zu dieser Arbeitsgruppe gehören die »Product Sculptures« (Seite 19-22), die »Product Paintings«, die »Ad Paintings« sowie Installationen wie »Kiosk« (Seite 26-28) und »Deli/Grocery« (Seite 61).
Die »Rote Gruppe« ist der Versuch, den eher emotionalen Bereich unseres Lebens anzugehen: Liebe, Sexualität, Gewalt, Prägung (Erziehung, Kindheit) und Geschichte sind die Leitthemen. Die Methodik räumt dem ‚Aus-dem-Bauch-heraus-Arbeiten‘ einen größeren Stellenwert ein. Sie ist unvermittelter, weil direkter. Hierzu gehören die »Frame Paintings« (Seite 40), die »Shield Paintings«, die »Icon Paintings«, die »Erotic Paintings« und die »Album Paintings« (Seite 41-43). Sowohl Skulpturen als auch Objekte sind in den Werkgruppen der »Animals in Torso« (Seite 45), der »Myth Figures«, der »Metamorphosis Figures« (Seite 44) und der »Private Souvenirs« vertreten. Die »Army of Clones«, »Bloody Babies« (Seite 47) und »Flying Babies« sind dieser Gruppe zugehörige Installationen.
Die »Schwarze Gruppe« bietet die Möglichkeit, von der Körperlichkeit des Materials, dessen Assoziationskraft auszugehen. Hier kann ich experimentell mit dem Arbeitsmaterial umgehen und spielerisch komponieren. Auch von mir gefertigte Zeichnungen, Collagen und Fotografien werden weiterer Überarbeitungsschritte unterzogen. Als Beispiele können hierfür die »Eclectic Figures« als Objekte, die »Mixed-Media-Series«-Arbeiten, die »Structural Paintings«, die »Berlin Paintings« (Seite 34-38) und die »Portrait Paintings« (Seite 30-33) angeführt werden.
Mein zeichnerisches Arbeiten ist ebenfalls in Gruppen bzw. Serien unterteilt: Die »Triplets« (Seite 48), die »Tableaus« und die »Structural Combinations« (Seite 49-50), die »Structural Constitutions« (Zeichnung und Fotografie) und die »Structural Drawings« (Seite 51-54) sowie die »Baustellen Drawings« (Seite 39). Mich interessiert, die Möglichkeiten der Zeichnung herauszuarbeiten und die daraus resultierenden Ergebnisse durch Gegenüberstellung in Widerstreit treten zu lassen.
Die Fotografie ist auch in meinem Werkkomplex vertreten. Hierbei ist vor allem die Gruppe der selbstreferentiellen Arbeiten zu nennen, die als Ausgangspunkt von mir bereits realisierte Kunstwerke haben. So dienen einzelne Kunstwerke wie z.B. die »Product Sculptures«, verschiedene »Wax Paintings« und die Installationen als Grundlage zur künstlerischen Fotografie (Seite 25-28, 32, 38).
Auch wenn ich mit unterschiedlichen Arbeitskonzepten ein Werk beginne, sind in dem Ergebnis doch immer alle drei menschlichen Wesenheiten zu finden: der Geist, der Körper sowie die Emotio.
Die systematische Einteilung in Werkgruppen ist ein Resultat des Handicaps, mich nicht nur auf eine Werkgruppe konzentrieren zu können und zu wollen. Ich brauche die Vielfalt, denn sie entspricht meiner Natur. Das entwickelte strukturalistische Prinzip der »Unity in difference/Einheit in der Differenz« hilft mir, meine verschiedenen Talente zu fördern, mein Arbeiten nach vorne zu treiben und nicht im Chaos zu versinken.
Meine Zeichnungsplastik »Black Box« (Seite 57) von 1990/91 hat somit bereits vorweggenommen, was sich erst später herauszuschälen begann: das parallele Arbeiten. Diese Arbeit ist ein wichtiges Gelenkstück zwischen meinem früheren Suchen und dem heutigen Finden.
Die »Weiße Gruppe« (seit 1991) und die »Goldene Gruppe« (seit 1996) sind hier nicht aufgeführt.